Finasterid Nebenwirkungen können deutlich schwerwiegender sein, als viele Patienten ahnen. Eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2017 mit fast 12.000 Behandlungsfällen zeigt: 1,4% der mit Finasterid behandelten Männer entwickelten eine persistente erektile Dysfunktion (PED). Besonders alarmierend ist, dass jüngere Männer, die länger als 205 Tage behandelt wurden, ein etwa 5-fach erhöhtes Risiko für diese anhaltende Störung haben.
Obwohl Finasterid häufig gegen Haarausfall und Prostataprobleme verschrieben wird, warnt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, dass einige Nebenwirkungen länger als zehn Jahre anhalten können. Tatsächlich fasst die Fachwelt diese anhaltenden Probleme unter dem Begriff "Post-Finasterid-Syndrom" (PFS) zusammen. Allerdings ist dieses Syndrom nicht als eigenständige Krankheit anerkannt und vielen Ärzten unbekannt. In diesem Artikel erklären wir umfassend, welche Finasterid Nebenwirkungen auftreten können, warum sie oft unterschätzt werden und was wir aus aktuellen Studien darüber wissen.
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Um zu verstehen, warum Finasterid Nebenwirkungen auftreten können, müssen wir zunächst seinen Wirkmechanismus betrachten. Dieser Wirkstoff greift tief in den Hormonstoffwechsel des Körpers ein und beeinflusst dadurch verschiedene Organsysteme.
Finasterid ist ein synthetisches Steroid, das als kompetitiver Inhibitor der 5-Alpha-Reduktase wirkt. Dieses Enzym ist normalerweise für die Umwandlung des männlichen Geschlechtshormons Testosteron in Dihydrotestosteron (DHT) verantwortlich. Es gibt zwei Unterformen dieses Enzyms: Typ I und Typ II. Interessanterweise hemmt Finasterid vorwiegend den Typ II der 5-Alpha-Reduktase. Der Wirkstoff konkurriert dabei mit Testosteron um den Bindungsplatz am Enzym, wodurch die Umwandlung blockiert wird.
Durch diese Blockade sinkt der DHT-Spiegel im Blut erheblich. Die regelmäßige Anwendung von Finasterid führt zu einer 70%-igen Reduktion der Dihydrotestosteron-Konzentration im Serum. Diese drastische Senkung ist bemerkenswert, da DHT etwa fünfmal potenter wirkt als Testosteron und eine stärkere Bindungsaffinität sowie längere Bindungsdauer am Androgenrezeptor aufweist.
Allerdings bleibt der Testosteronspiegel im Körper trotz der Finasterid-Einnahme normal. Dies erklärt, warum viele männliche Körperfunktionen weiterhin ungestört ablaufen, während andere, die stärker von DHT abhängig sind, beeinflusst werden.
Bei androgenetischer Alopezie (erblich bedingter Haarausfall) reagieren die Haarfollikel überempfindlich auf DHT. Das Hormon verkürzt die Anagenphase (Wachstumsphase) der Haare, wodurch die Haare dünner werden und schließlich ausfallen. Männer mit dieser Form des Haarausfalls besitzen verkleinerte Haarfollikel und erhöhte Mengen an DHT in der Kopfhaut.
Indem Finasterid den DHT-Spiegel senkt, kann es diesem Prozess entgegenwirken. Bei etwa 80% der Anwender wird dadurch ein Stopp des fortschreitenden Haarverlusts und bei etwa 65% sogar ein verstärktes Haarwachstum erreicht.
Ähnlich wirkt Finasterid bei Prostataerkrankungen. DHT fördert das Wachstum der Epithelzellen in der Prostata, was zur Prostatahyperplasie (Vergrößerung) beiträgt. Durch die Hemmung der DHT-Bildung führt Finasterid nach etwa drei Monaten zu einer Verkleinerung des Prostatavolumens um circa 20%, in manchen Fällen sogar um ein Drittel.
Erste Erfolge bei der Haarwuchsbehandlung sind meist erst nach 3-6 Monaten kontinuierlicher Einnahme sichtbar. Wichtig zu wissen: Sobald die Behandlung unterbrochen wird, steigt der DHT-Spiegel wieder an, und die erzielten Effekte können sich zurückbilden.
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Die Behandlung mit Finasterid kann erhebliche unerwünschte Wirkungen verursachen, die jeder Patient vor Therapiebeginn kennen sollte. Während viele Ärzte diese als selten einstufen, zeigen neuere Studien ein differenzierteres Bild.
Sexuelle Funktionsstörungen zählen zu den am häufigsten berichteten finasterid nebenwirkungen. Bei den betroffenen Männern kommt es zur Verminderung der Libido, Erektionsstörungen und Ejakulationsproblemen. Besonders beunruhigend ist, dass diese Beschwerden nicht nur während der Einnahme auftreten können, sondern manchmal erst nach dem Absetzen des Medikaments. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte warnt sogar, dass solche Nebenwirkungen länger als zehn Jahre anhalten können.
Eine Auswertung elektronischer Krankenakten ergab, dass 1,4% der 11.909 mit Finasterid behandelten Patienten eine persistierende erektile Dysfunktion entwickelten, die im Durchschnitt 1.348 Tage nach Absetzen anhielt. Interessanterweise hatten jüngere Männer unter 42 Jahren, die Finasterid länger als 205 Tage einnahmen, ein 4,9-fach höheres Risiko für diese anhaltende Störung.
Darüber hinaus kann Finasterid zu Veränderungen der Brust führen. Zu den möglichen Symptomen gehören:
Diese Veränderungen wurden bereits kurz nach der Markteinführung des Wirkstoffs dokumentiert. Bereits zwei Jahre nach der ersten Einführung in Italien 1992 wurden etwa 250 Fälle von Gynäkomastie beobachtet. Zudem können Hautreaktionen wie Ekzeme oder Juckreiz auftreten, allerdings seltener als die sexuellen Nebenwirkungen.
Besorgniserregend ist auch, dass Brustveränderungen unter Finasterid ein mögliches Mammakarzinom beim Mann verschleiern können.
Finasterid kann außerdem die Samenproduktion und -qualität beeinflussen. Bei vielen Männern führt die Einnahme zu einer verminderten Ejakulatmenge. Obwohl frühere Studien keine Auswirkungen auf die Spermienqualität feststellten, zeigen neuere Untersuchungen ein anderes Bild.
Eine Studie an Männern mit Fruchtbarkeitsproblemen ergab, dass die Spermienkonzentration nach dem Absetzen von Finasterid deutlich anstieg – von durchschnittlich 13,2 auf 42,25 Millionen pro ml Ejakulat. Dies deutet darauf hin, dass Finasterid bei manchen Männern die Fertilität erheblich beeinträchtigen kann, besonders bei jenen mit bereits bestehenden Fruchtbarkeitsproblemen.
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Besonders alarmierend bei der Finasterid-Anwendung sind jene Nebenwirkungen, die nach dem Absetzen des Medikaments bestehen bleiben. Diese persistierenden Beschwerden können das Leben betroffener Männer jahrelang beeinträchtigen.
Das Post-Finasterid-Syndrom (PFS) beschreibt eine Konstellation von Symptomen, die während oder nach der Behandlung mit Finasterid auftreten und nach dem Absetzen fortbestehen. Zu den typischen Beschwerden zählen anhaltende sexuelle Dysfunktionen, psychische Probleme und kognitive Einschränkungen. Obwohl die US-Arzneimittelbehörde FDA bereits 2012 vor persistierenden Nebenwirkungen warnte, ist das PFS bis heute nicht als eigenständige Krankheit anerkannt und vielen Ärzten unbekannt.
Besonders beunruhigend ist die Dauer der sexuellen Funktionsstörungen. Bei einer Untersuchung von 11.909 Patienten entwickelten 1,4% eine persistierende erektile Dysfunktion, die im Durchschnitt erst 1.348 Tage (über 3,5 Jahre) nach dem Absetzen verschwand. Jüngere Männer unter 42 Jahren, die Finasterid länger als 205 Tage einnahmen, hatten ein 4,9-fach höheres Risiko für diese anhaltenden Störungen. Laut Bundesinstitut für Arzneimittel können sexuelle Dysfunktionen sogar länger als zehn Jahre fortbestehen.
Die langfristigen psychischen Nebenwirkungen umfassen Depressionen, Angststörungen und in einigen Fällen sogar Suizidgedanken. Eine Pharmakovigilanz-Studie mit 3.282 Finasterid-Anwendern ergab ein unverhältnismäßig hohes Auftreten von Suizidalität, Depressionen und Angstzuständen bei jüngeren Patienten unter 45 Jahren. Seit 2017 ist Depression als Nebenwirkung in der Fachinformation aufgeführt.
Neben sexuellen und psychischen Beschwerden berichten viele PFS-Betroffene über kognitive Beeinträchtigungen. Auch Schlafstörungen treten häufig auf - von Einschlafproblemen bis hin zu nächtlichem Erwachen und Schlaflosigkeit trotz Müdigkeit. Diese Symptome können die Lebensqualität erheblich mindern und alltägliche Aktivitäten erschweren.
Weshalb einige Männer ein PFS entwickeln und andere nicht, ist noch nicht vollständig geklärt. Allerdings scheinen bestimmte Risikofaktoren zu existieren. Patienten mit Vorgeschichte von Depression oder sexueller Dysfunktion tragen ein erhöhtes Risiko. Außerdem spielen genetische Faktoren eine Rolle - bestimmte Varianten des Androgenrezeptors erhöhen das PFS-Risiko um das Sechsfache. Als mögliche Mechanismen werden hormonelle Dysregulationen, epigenetische Veränderungen und neurosteroidale Dysfunktionen diskutiert.
Die Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten über finasterid nebenwirkungen weist oft erhebliche Lücken auf. Während der Wirkstoff routinemäßig verschrieben wird, bleiben wichtige Informationen häufig unerwähnt.
Bei Finasterid handelt es sich um ein wichtiges Medikament zur Behandlung von androgenetischer Alopezie und Prostatavergrößerung. Dennoch werden Patienten vor der Behandlung oft nicht ausführlich über mögliche Nebenwirkungen informiert. Etwa 8-18% der Patienten erleben unter Finasterid unerwünschte Wirkungen wie verminderte Libido, Depressionen und Gynäkomastie. Besonders beunruhigend ist die Praxis mancher Ärzte, das Mittel vergleichsweise sorglos zu verschreiben – in einigen Fällen erfolgt die Verschreibung innerhalb von nur fünf Minuten.
Obwohl das Post-Finasterid-Syndrom Anfang 2015 in die Liste des Genetic and Rare Diseases Information Center der amerikanischen National Institutes of Health aufgenommen wurde, wird ausdrücklich betont, dass dies keine Anerkennung der tatsächlichen Existenz einer Krankheit namens "Post-Finasterid-Syndrom" darstellt. Über die tatsächliche Existenz dieses Syndroms besteht weiterhin Unklarheit, da keine hochwertigen wissenschaftlichen Studien vorliegen, die eine Existenz nahelegen oder beweisen.
Die britische Arzneimittelbehörde (MHRA) empfiehlt, Patienten vor der Verschreibung von Finasterid nach Depression und Suizidalität in der Vorgeschichte zu befragen. Außerdem sollten Patienten nicht nur hinsichtlich psychiatrischer, sondern auch sexueller Störungen beobachtet werden. Die Anwendung von Finasterid bei Patienten mit Depression oder sexueller Dysfunktion in der Vorgeschichte sollte besonders sorgfältig geprüft werden. Da Betroffene psychische Veränderungen möglicherweise nicht selbst bemerken, sollten sie Angehörige oder Freunde über die Einnahme und dessen Risiken informieren.
Sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz besteht eine Meldepflicht für schwerwiegende oder bisher unbekannte Nebenwirkungen. In Deutschland informierte ein Rote-Hand-Brief im Jahr 2018 über die psychiatrischen und sexuellen Nebenwirkungen von Finasterid. Solche Meldungen sind entscheidend, um das Verständnis über die Häufigkeit und Schwere von finasterid nebenwirkungen zu verbessern. Patienten können Nebenwirkungen über die Website www.akdae.de oder mittels Berichtsbögen melden, die regelmäßig im Deutschen Ärzteblatt abgedruckt werden.
Finasterid bleibt zweifellos ein wirksames Medikament zur Behandlung von Haarausfall und Prostatavergrößerung. Allerdings zeigen die wissenschaftlichen Erkenntnisse deutlich, dass die Nebenwirkungen erheblich schwerwiegender und langanhaltender sein können als bisher angenommen. Besonders alarmierend ist die Tatsache, dass jüngere Männer ein höheres Risiko für persistierende sexuelle Dysfunktionen tragen können.
Die mangelnde Aufklärung durch Ärzte stellt ein wesentliches Problem dar. Tatsächlich wissen viele Patienten vor Behandlungsbeginn nicht, dass Nebenwirkungen wie erektile Dysfunktion, Libidoverlust oder Depressionen noch Jahre nach dem Absetzen bestehen bleiben können. Das Post-Finasterid-Syndrom, obwohl noch nicht vollständig als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt, beschreibt eine reale Problematik für zahlreiche Betroffene.
Wer eine Finasterid-Behandlung erwägt, sollte daher alle Risiken sorgfältig abwägen. Undoubtedly müssen die potenziellen Vorteile gegen die möglichen langfristigen Nebenwirkungen aufgewogen werden. Patienten mit Vorgeschichte von Depressionen oder sexuellen Funktionsstörungen sollten besonders vorsichtig sein, da sie ein erhöhtes Risiko für anhaltende Probleme tragen.
Falls Nebenwirkungen auftreten, empfiehlt sich eine umgehende Rücksprache mit dem behandelnden Arzt. Zudem sollten unerwünschte Wirkungen den zuständigen Behörden gemeldet werden, um das Wissen über die tatsächliche Häufigkeit und Schwere von Finasterid-Nebenwirkungen zu verbessern.
Letztendlich liegt die Entscheidung für oder gegen Finasterid beim Patienten selbst – eine fundierte Entscheidung setzt jedoch umfassende Informationen voraus. Diese Informationen sollten nicht nur die positiven Wirkungen, sondern auch die möglichen Risiken einschließen, die weit über die Behandlungsdauer hinaus bestehen können.